Mehrwertsteuerhalbierung: Nur soziale Kälte als Gegenargument?

Argumentationslos. Die Diskussion über die Mehrwertsteuersenkung kommt bei deren Gegnern nicht über ein paar unreflektierte Parteiargumente hinaus. Zweifellos hängt das niedrige Diskussionsniveau auch damit zusammen, dass bis heute unter Steuerreform immer nur die direkten Steuern, also die Einkommens- und Lohnsteuer zum Gegenstand haben. Daran haben freilich die hohen Einkommen und die Wirtschaft ein überweigedendes Interesse auf Kosten der Gemeinschaftsfinanzierung der Staatsaufgaben. Es gilt ihnen zuvorderst ihr eigenes Einkommen zu erhöhen und weiters haben sie ein Interesse als Unternehmer, für den eine niedere Lohnsteuer eine Lohnsenkung impliziert, da Einkommen von Arbeitnehmern in der Regel als Nettoeinkommen verglichen und verstanden werden, aber auch als Marktinformation auf dem Arbeitsmarkt wirken. Das sind alles durchaus nachvollziehbare individuelle und in einer offenen Gesellschaft auch legitime Strategien und die Motive nicht von vornherein nur unsozial. Wir leben in einer Marktwirtschaft und die besteht - wie alles auf der Welt - eben nicht nur aus Vorteilen und Gemeinsinn.

Direkte Steuern versus indirekte. Die Reform der Lohn- Einkommenssteuer ist zweifellos eine wichtige und auch eine, die über die Inflationsbereinigung hinausgehen muss, denn ein gerechtes Steuersystem ist ein solches, das den Einzelnen zur Mitfinanzierung der Staatsausgaben nach seinen Möglichkeiten heranzieht und seine sonstigen Leistungen für den Staat miteinbezieht. So ist es sicher gerecht, wenn eine mäßig verdienende Alleinerziehende möglicherweise gar keine Steuern zahlt, sie leistet ja für die Gemeinschaft die Erziehung und Ernährung der Kinder. Ein gerechtes Steuersystem hat hier zu sagen, wer mit welchem Beitrag die Staatsausgaben als Gemeinschaftsausgaben finanzieren soll. Hier allein kann Steuergerechtigkeit an einem objektivierbaren Einkommensbegriff realisiert werden, wobei die Höhe der Steuern freilich immer eine Wertungsfrage bleibt.

Luxussteuern. So sehr die direkte Besteuerung der Weg zu Steuergerechtigkeit sein kann, so ungerecht sind immer indirekte Steuern und Abgaben. Da hier die Steuerleistung nach Köpfen und nicht nach Einkommen und Vermögen erfolgt, bezahlt die große Masse einen unverhältnismäßig hohen Anteil ihres Einkommens als Steuern. Zeigen wir es an einem simplen Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern bezahlt allein für die Pässe der Familie über zweihundert Euro. Damit ist ihr Einkommen zum großen Teil weggesteuert und eine Reinigungskraft mit 10 Euro Stundenlohn netto ! arbeitet dafür eine halbe Woche nur für diese Abgaben. Dabei sind diese Kosten ja nicht reale Produktionskosten sondern Abgaben zur Finanzierung einer Staatsaufgabe. Dass jeder Staatsbürger mit einem Ausweisdokument ausgestattet ist, das ihn als Bürger dieses Staates ausweist, wäre an sich eine selbstverständliche Gemeinschaftsaufgabe. Aber gleiche und ähnliche Steuer- und Abgabenfälle gibt es über dieses bildhafte Beispiel hinaus zuhauf.

Feudalismus. Nun sind eine Reihe von indirekten Steuern auch solche, die man im weitesten Sinne als "Luxussteuer" wirken. Das bedeutet aber nicht, dass Luxus besteuert würde, wie dies bei ungeprüfter Interpretation nahe liegen würde, sondern dass dadurch Menschen ganz einfach vom Konsum gewisser Produkte und Leistungen ausgeschlossen werden. Dies gilt grundsätzlich auch für alle "Ökosteuern". Höhere Gebühren für Wasser, Strom, Treibstoff wirken ausschliesslich bei niedrigen Einkommen als Sparanreiz und in vielen Fällen als Ausschluss vom Konsum. Ein Bankdirektor wird aber kaum seinen Müll reduzieren, weil er sich vor der Müllsackgebühr schreckt, die bereits erwähnte Alleinerzieherin aber sehr wohl. Man muss sogar unterstellen, dass der Ausschluss der Alleinerzieherin die Ressourcen für den Konsum einer Oberschicht bereitstellt. Eigentlich eine klassisch feudale Situation.

Besteuerung des nackten Überlebens. Diese grundsätzlichen Steuerüberlegungen erhalten aber im Falle der Mehrwertsteuerdiskussion eine weitere unwiderlegbare Begründung. Wenn man schon bei der Einkommenssteuer sagt, man darf jenen Betrag, den der Einzelne für den Lebensunterhalt unabdingbar braucht, nicht besteuern, warum besteuert man dann diesen unabdingbaren Verbrauch mit der Mehrwertsteuer? In diesem Falle besteuert man ja nichts anderes als den Erhalt des nackten Lebens!

Armut und Schulden. Vollkommen außer Acht gelassen werden jene Menschen, die in Armut und an der Armutsgrenze überleben. Der größte Teil von ihnen ist zwangsläufig verschuldet. Im Jahre 2007 wurden an jedem Arbeitstag 3.500 neue Anträge auf Forderungsexekution eingebracht, fast 800.000 Exekutionsanträge. Da diese logischerweise kaum in einem Jahr abgedient sind, muss von einer kummulierenden Zahl von verschuldeten Menschen ausgegangen werden. In diesen Fällen erfreut eine Lohnsteuersenkung ausschließlich Banken, Versandhäuser, Versicherungen, Inkassobüros. Den verschuldeten bleibt davon so gut wie nichts mehr für ihren Lebensunterhalt, auch nicht den Familienangehörigen, besonders für die Kinder!

Oder im Falle der hier beispielhaft erwähnten Alleinerzieherin mit den zwei Kindern: Soll diese Mutter nun wegen ein paar Cents einen neuerlichen Anlauf gegen Bürokratie und Gerichte, gegen den Kindesvater unternehmen, weil ihm die Steuerreform ebenfalls ein paar Euro mehr gebracht haben. Da ist die eingesparte Mehrwertsteuer für alle Beteiligten die realistischere Lösung und auch für den Staat die weitaus unbürokratischste. Die Probleme sind damit nicht gelöst, aber sie schafft in den Geldbörsen der Menschen mit geringen finanziellen Ressourcen etwas reale Erleichterung. Gerade auch bei Familien mit Kindern.

✔Information:
Mehrwertsteuersenkung: Ein Plus für Ökonomie Gesundheit und Ökologie!
Wer ist gegen eine Mehrwertsteuersenkung?
Grüne Irrungen und Wirrungen II: RECHTS = LINKS?

2 Comments:

Saibot said...

Interessantes Posting... Solche Fragen werden in der Blogger-Gemeinde recht häufig besprochen. Was HIER allerdings der springenden Punkt ist:
Die Mwst wird über kurz oder lang von den 2(!) Handelsriesen "gefressen" wwerden. Wer das nicht sieh, übersieht wahrscheinlich noch viel mehr... Ein gutes Beispiel ist die gefallene Getränkesteuer. Sie wurde in keiner Weise an den Konsumenten weiter gegeben. Die Preise stiegen sogar mittelfristig. Das wird auch bei der Mwst. so sein, da gibt es keinen Zweifel.

Heinz said...

Wenn dem so wäre, dann würden die Unternehmen auch jetzt nicht 10 % sondern 20 % Mehrwertsteuer draufschlagen. Gerade bei den Lebensmitteln herrscht auch bei starker Konzentration ein scharfer Konkurrenzkampf.

Insgesamt wird das Preisniveau um die Abgabensenkung sinken. Darüber gibt es keinen Zweifel. Freilich kann es zu einer Quersubventionierung kommen. Beispielsweise könnten bei jetzt schon scharf kalkulierten Preisen die Senkung nicht weitergegeben werden, dafür ander Produkte gesenkt werden. Es wird doch niemand glauben, dass in diesen Konzernen nicht aufgrund von Kalkulationen diePreise gemacht würden!